Ein Flimmern im spannenden Hintergrundrauschen des Weltgeplauders.
Niemand ist gemeint.
Neue Literatur, Prosa, Lyrik, Roman, Online Kunst, verbale Performance, Exposé, Epimetheisch, Erfundene erlogene ausgedachte Geschichten.
Mal wieder unterwegs, mal wieder allein unterwegs auf den Wegen des Vergessens, auf meinen Wegen des Selbstvergessens, denn heute abend war ich bei mir, nur bei mir und ich war allein, so wie es immer ist, wenn ich bin mit mir - unterwegs. Es ist abend auf einer Party. Ich am Abend auf einer Party und es könnte jeder Abend sein, mitten in der Woche, am Wochenende, es ist gleich; merkte nicht, dass Mittwoch ist, denn es gibt einen Grund zu feiern. Ich kenne den Grund nicht, doch weiß ich, dass er existiert.
Ich bin der Abend oder die Party sowie das Selbstvergessen und vor mir steht diese Frau, eine der Frauen dieser alltäglichen Party, die an jedem Tag sein könnte, an jedem Abend, die immer sein könnte, denn es gibt einen Grund jenseits des Wochentages, einen Grund, den ich nicht kenne. Vor mir steht diese Frau, schon eine Stunde oder länger und wir sind unterhalten, unterhalten uns, heute Abend, aus dem Grund eines anderen, ein fremder Grund, der nicht meiner ist, so wie sie nicht meine ist.
Ich halte sie für klug. Halte sie nicht, aber für klug. Sie spricht überlegt, gewählt, weiß Gesten zu setzen, ihre Worte zu setzen, Worte, die ich nicht höre, Worte aus ihrem Mund, ihrem sinnlichen Mund mit den blendweißen Zähnen, über die ihre Worte perlen, zu einer Kette, einem Schal um meinen Hals, in dem ich ersticken könnte. Getragen vom behenden Blick ihrer blauen Augen, die mich anblicken, ihre Worte zu mir schicken, die für mich bestimmt sind, aus einem unbekannten Grund, nur für mich oder auch für jeden Abend, schon eine Stunde - vielleicht auch zwei. Ich weiß es nicht. Sie blicken mich an, die tiefblauen Augen, die etwas zu mir schicken, etwas, das ich nicht höre, die etwas erwarten, und es ist kein weiteres Wort von mir, keine weitere Geschichte, die die Luft zwischen uns auffüllt, weil sie mich anrührt, animiert, weil sie mir zuhört, weil sie zuhören kann, weil sie da ist. Ja, ich habe mich hinreißen lassen, habe über das einzige gesprochen, wobei ich noch in Leidenschaft gerate, habe über Worte erzählt und sie hat verstanden, hat diese Leidenschaft geteilt, hat ihre Geschichten mit mir geteilt und ist fiebrig geworden, als sie meine hörte, die einzigen, die ich noch erzählen kann, die ich Menschen noch erzählen kann, nicht weil es die einzigen sind, die jemand verstehen kann, die ich verstehen kann, sondern weil es das einzige ist, bei dem ich noch in Leidenschaft gerate, bei dem ich mich noch hinreißen lasse - zu dieser Frau.
Diane, sagt sie, Diane, denke ich, Diane, Göttin der Jagd, auf der Suche nach Beute, auf der Suche, Beute zu werden - sie erwählt den, der sie erwählen soll, denke ich. Ich habe sie nicht erwählt, denn ich kenne ihren Grund nicht.
Versteh’ mich nicht falsch, sage ich, meine ich zu sagen, sagen zu müssen, vorab zu sagen, als Entschuldigung, als Umweg vor dem, was kommt, vor dem Witz, der immer kommt, der nicht ausbleibt, etwas anderes bleibt aus. Versteh’ mich nicht falsch, sagte ich, aber ich bin Anders, sage ich, doch bin ich nicht anders, nicht heute, der ich bin, bei mir - unterwegs.
Ich weiß... Sie weiß, sagt sie, weiß jetzt oder schon immer, der Witz, der immer kommt, der nicht zum Lachen ist und doch lächelt sie. Kenne ich Dich nicht vom Sehen? Von hier und dort? Du bist harmlos im Vorbeigehen, doch das glaube ich nicht. Nicht hier, nicht dort.
Wer weiß, sage ich, meine es nicht so, obgleich ich es zu ihr sagte, der erste Eindruck täuscht fast nie, täusche ich sie. Geständnisse vernichten uns, dahingesagte Geständnisse für den Augenblick, »Ich liebe Dich« heute, »Es ist nicht so« morgen. Ich habe sie nicht gelernt, die Geständnisse des Augenblicks, die Geständnisse für heute, für sie, die ich nicht erwählt habe, deren Grund ich nicht kenne, für diese Jägerin, für meine heutige Göttin und für die brombeerfarbenen Lippen, über die ihre Worte perlen, getragen von einem tiefblauen Blick, der nicht wegsieht auf dem Weg zu mir - unterwegs.
Zugehört hat sie, schweigt jetzt, so wie ich schweige, schwungvoll und streicht mit den Fingerspitzen durch ihr schwarzes Haar, blickt mich von unten an. Ihre vollen Lippen sind ein verschlossenes Wunder, sind brombeerfarben und lächeln mir zu, sprechen zu mir, ohne dass ein Wort die Luft zerreißt zwischen uns, ein Wort, das ich nicht hören kann, sagen alles, ohne geringste Umwege, getragen von ihren tiefblauen Augen, Wege des Vergessens, unterwegs zu mir. Ich schaue sie an, ihre Wangen, ihre Knochen, ihre gesichelten Brauen, Fragezeichen, als Aufforderung für mich zusammengezogen, nur leicht, genug jedoch, um nicht uneindeutig zu sein. Ihre schweigenden Lippen fordern mich auf, ihr Lächeln mehr als eine Einladung, ihre Blicke nicht mehr nur von Neugier gekitzelt.
Jemand stößt sie leicht im Vorbeigehen, jemand mit Grund, mit vielen Worten, mit Worten für andere, die die Luft zerreißen, nicht zwischen uns, nicht für uns, und sie kommt näher, als sie bräuchte, berührt meine Hand, die nicht nach ihr greift, streicht meinen Arm heruf, der sich nicht um sie legen wollte, und stürzt an meine Schulter. Ihr Mund ist nahe, ist nahe meinem Mund, ist nahezu mein Mund und ihre Augen, ihr tiefes Blau lockt mich zu fallen, zerren mich, in sie zu stützen.
Es tut mir Leid, sage ich, obgleich ich es nicht meine, aber ich bin Anders.
Ich weiß, Du bist woanders. Sie lächelt, nicht über den Witz, der immer kommt, der nicht zum Lachen ist. Die Täuschung lässt sie lächeln, ist nicht verlorengegangen in ihrem Kopf, in ihren Gedanken, unterwegs zu ihr. Komm mit, sagte ihr Mund, bevor er meiner war. Komm mit mir, sagte sie, weg von dieser Party, vom Abend, der ich bin, bald draußen und schon Nacht. Komme mit in die Nacht, gezogen von einer Hand, gezogen ins Unterwegs zu ihr.
Später folge ich der Spur zerstreuter Kleidung, der Ariadnefaden fort von Diane, der Weg des Selbstvergessens, meines Unterwegs zurück zu mir. Hoffnungslos würde ich sein mit dir, mein Engel, der du sein wolltest, der du nicht bist.
Hinaus auf die Straße, komme nach draußen auf die Straße, mit einem Willkommen begrüßt. Komme mit geöffneten Armen auf die Straße, meiner Armut entgegen, hinaus in die Nacht, die sie ist, meine Straße, so wie alle Straßen meine sind, unterwegs zu mir.
Und drinnen hängt Diane am Ariadnefaden.
Gute Nacht.